Hintergrundinformationen - "Die Gauklerin"


Der Dreißigjährige Krieg – Trauma von Generationen

files/AstridFritz/Bilder Hexe bis Kondor/GK-Magdeburg.jpgDer Dreißigjährige Krieg war im Grunde ein europäischer Machtkampf auf deutschem Boden – und er war eine Katastrophe. Bezogen auf die damalige Bevölkerungszahl forderte der “Große Krieg”, wie ihn die Zeitgenossen nannten, mehr Opfer als der Zweite Weltkrieg. An seinem Ende war Deutschland über weite Landstriche zerstört und niedergebrannt, die Hälfte der ländlichen, ein Drittel der städtischen Bevölkerung war an Gewalt, Seuche und Hunger gestorben. Eine ganze Generation hatte seit der Geburt nichts als Krieg gekannt.

Der Westfälische Friede von 1648 entstand nach jahrelangen Verhandlungen nicht als ein Ergebnis der Vernunft, sondern weil keines der Heere länger kämpfen konnte. Ein bis dahin unerhörter Kriegsbrand war endlich gelöscht, doch das Marodieren der entlassenen Landsknechte ging weiter! Vor ihrem Raubrittertum war man nur in den befestigten Städten sicher, und es sollte noch Jahre dauern, bis die letzte Soldateska abgezogen war.

Am schlimmsten verwüstet sah sich der Südwesten des Reichs, besonders Württemberg, Breisgau, der Oberrhein und die Kurpfalz: Dort sind bis zu zwei Drittel der Menschen dem Krieg zum Opfer gefallen. Wer überlebte, tat dies in dem neuen Lebensgefühl der “Vanitas”, der Vergänglichkeit und Fragwürdigkeit alles Irdischen – was schließlich zu einem bedeutenden Motiv der barocken Kunst und Literatur wurde.


Der “Große Krieg” – ein Glaubenskampf?

Ein Religionskrieg war der dreißigjährige Krieg nur vordergründig. Tatsächlich ging es zunächst um innerdeutsche, bald schon um europäische Machtkämpfe. Dass das Geschehen im Dreißigjährigen Krieg dem Betrachter so verwirrend erscheint, liegt vor allen Dingen an den ständig wechselnden Fronten.

Zunächst ging es um innerdeutsche Macht: Die Wiener Linie des Hauses Habsburg, die den deutschen Kaiser stellte (daneben gab es noch die spanische Linie), befand sich nicht erst seit dem Prager Fenstersturz in erbittertem Streit mit den deutschen Fürsten. Dieser deutsche Kaiser strebte eine unumschränkte Zentralmacht an und bediente sich dazu des Mittels einer militanten katholischen Gegenreformation. Dagegen wehrten sich die deutschen Fürsten, die ihrerseits den Lehren Luthers anhingen. Diese Machtkämpfe zwischen dem katholischen Kaiser und den protestantischen Fürsten wurden zu religiösen Widersprüchen hochstilisiert und dem Volk als Glaubenskämpfe verkauft.

Doch nicht einmal in diesem Sinne war es ein Kampf Katholiken gegen Protestanten, denn im Verlauf des Krieges standen sich Parteien gegenüber, die immer häufiger unabhängig vom Glauben um ihre Macht kämpften und immer häufiger das Lager wechselten. Dies ist auch der Grund, weshalb der Krieg 30 Jahre lang immer wieder neu aufflammte. Selbst nach so genannten Entscheidungsschlachten und Friedensschlüssen formierten sich neue Bündnisse, die dafür sorgten, dass der Krieg weiterging.

Das Kriegsgeschehen lief vollends aus dem Ruder, als sich ausländische Staaten einmischten, die die Vormacht der österreichischen und spanischen Habsburger in Europa stürzen wollten. Eine Vormachtstellung, die eng verknüpft war mit einem strengen Katholizismus – und das zu einer Zeit, in der es laut Golo Mann sechsmal so viele Protestanten wie Katholiken im Reich gab.

files/AstridFritz/Bilder Hexe bis Kondor/Bruegel triumph des todes.jpgDen Überlebenden hatte dieser Krieg unermessliches Leid gebracht und persönliche und wirtschaftliche Nöte noch auf Jahre hinaus. Das einzig Positive für sie: Der Westfälische Friede garantierte für alle Zeiten die Gleichberechtigung der Konfessionen. Der bisherige Grundsatz “cuius regio eius religio”, nach dem man dem jeweiligen Glauben des Landesherrn zu folgen hatte, wurde abgelöst von dem Recht auf freie Religionswahl der Untertanen.


“Die Gauklerin” – ein Kriegsroman?

In meinem Roman hab ich versucht, diese Kriegskatastrophe aus der Sicht der Bevölkerung darzustellen, aus der Sicht der Opfer wie der Täter, wobei sich beides nicht selten vermischt, wie in der Figur des jungen Matthes, aber auch in der des berühmten Feldherrn Albrecht Wallenstein.

“Die Gauklerin” ist ein Roman über die Zerstörung einst blühender Städte, über das Martyrium der Landbevölkerung, die von den Kriegshorden oft mehrfach heimgesucht wurde, über das Leben der Soldaten in ihren Heerlagern und der Marodeure auf Suche nach Beute, und natürlich, in den Figuren meiner Protagonistin Agnes und ihrer beiden ungleichen Brüder, ein Roman über die Hoffnung, die Liebe und den Kampf ums Überleben.


Überblick über den Kriegsverlauf

Es ist bei einem solchen Thema nicht zu vermeiden, dass politische Konstellationen in der Romanhandlung einen gewissen Raum einnehmen. Ich habe jedoch versucht, mich auf die wichtigsten Eckpunkte (siehe unten) der selbst für Historiker äußerst wirren Kriegsverläufe zu konzentrieren.

Aus einer Rebellion in Böhmen entwuchs bald ein europäischer Weltenkrieg, der sich formal in folgende Phasen einteilen lässt:
Der Böhmisch-Pfälzische Krieg (1618 – 1623)
Der Dänisch-Niedersächsische Krieg (1625 – 1629)
Der Schwedische Krieg (1630 – 1635)
Der Schwedisch-Französische Krieg (1635 – 1648)


Eckdaten

Wichtig im historischen Zusammenhang sind die folgenden Eckdaten, die ich im Roman berücksichtigt habe:

1618: Der “Prager Fenstersturz” (aufgebrachte böhmische Protestanten werfen kaiserliche Beamte aus einem Fenster der Prager Burg) löst Kämpfe zwischen protestantischen und habsburgischen (katholischen) Truppen aus.

1619: Der Habsburger Ferdinand, König von Böhmen, wird Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Die aufständischen böhmischen Stände akzeptieren den neuen Regenten nicht und wählen den calvinistischen Friedrich V. von der Pfalz zu ihrem König. Die katholische Liga (kaiserliche und bayrische Truppen) und die protestantische Union werden zu Kriegsgegnern.

1620: Bei der Schlacht am Weißen Berg vor Prag siegen die Katholischen unter Feldherr Tilly. Der “Winterkönig” genannte Friedrich muss fliehen, über Böhmen, Mähren und Schlesien fegt eine schonungslose Rekatholisierung.

1622: Wieder siegen Tillys Truppen in der Schlacht bei Wimpfen und erobern die Kurpfalz. Der Winterkönig muss aufgeben, der Krieg scheint beendet.

1624: Die ersten Allianzen europäischer Mächte gegen den Habsburger Kaiser und dessen Rekatholisierungsversuche bilden sich.

files/AstridFritz/Bilder Hexe bis Kondor/GK-Wallenstein.jpeg1625: Albrecht von Wallenstein (siehe Bild), der reichste Mann Böhmens, bietet seinem Kaiser ein gewaltiges Heer von angeblich 50.000 Mann an. Er erhält den Oberbefehl über sämtliche kaiserliche Truppen.

1628: Der ganze Norden Deutschlands ist in katholischer Hand. Wallenstein, bereits Herzog des böhmischen Friedlands, erhält vom Kaiser das Herzogtum Mecklenburg.

1629: Friede von Lübeck mit Dänemark. Da erlässt Kaiser Ferdinand II. das umstrittene Restitutionsedikt: Sämtliche enteignete Klostergüter sollen wieder der katholischen Kirche zurückgegeben werden. Für das protestantische Württemberg eine Katastrophe, da ein Drittel des Territoriums betroffen ist.

1630: Im Frühsommer Einmarsch kaiserlicher Truppen in Württemberg, das sich bisher hatte neutral halten können. Im August, auf dem Regensburger Reichstag, erzwingen die katholischen Kurfürsten die Absetzung Wallensteins als Generalissimus der kaiserlichen Truppen. Zugleich landet der Schwedenkönig Gustav Adolf an der deutschen Ostseeküste. Sein Feldzug gegen den Habsburger wird von Frankreich finanziell, von deutschen protestantischen Ständen militärisch unterstützt.

1631: Im Mai legen Tillys Truppen das lutherische Magdeburg in Schutt und Asche. Die Zerstörung dieser Stadt wird für die Protestanten zum Sinnbild katholischer Gräuel. Danach Siegeszug des Schwedenkönigs durch das Reich. Der Kaiser erfleht den abgesetzten Wallenstein zurück.

1632: Tilly fällt in der Schlacht bei Rain am Lech, Wallenstein übernimmt wieder den Oberbefehl. Im November Entscheidungsschlacht zwischen Wallenstein und dem Schwedenkönig bei Lützen. Gustav Adolf fällt.

1634: Wallenstein fordert von seinen Offizieren einen Treueeid, der am Kaiserhof als Hochverrat gedeutet wird. Der Feldherr wird erst abgesetzt, dann im böhmischen Eger von seinen eigenen Leuten ermordet.

files/AstridFritz/Bilder Hexe bis Kondor/GK-Noerdlingen-geschnitten.jpgSeptember 1634: In der Schlacht bei Nördlingen (Bild) werden die Schweden und deren protestantische Verbündete von den kaiserlich-spanischen Truppen vernichtend geschlagen. Herzog Eberhard von Württemberg flieht mit seinem Hof nach Straßburg, der Kaisersohn Ferdinand III. zieht in Stuttgart ein. Das bisher relativ geschonte Schwaben wird in den folgenden Jahren verwüstet und verheert.

1635: Der “Prager Frieden” zwischen dem Kaiser und den meisten protestantischen Reichsfürsten führt zu einer Auflösung der katholischen und protestantischen Bündnisse. Da weitet sich der Krieg durch eine Kriegserklärung Kaiser Ferdinands II. an Frankreich aus.

1636: Spätestens ab jetzt hat der Krieg seine scheinheilige Maske eines Religionskrieges endgültig abgelegt und wird zu einem Staatenkrieg auf deutschem Boden.

1637: Ferdinand III. wird nach dem Tod seines Vaters Kaiser.

1638: Rückkehr des württembergischen Hofs nach Stuttgart. Das Herzogtum bleibt aber weiterhin als bevorzugtes Aufmarschgebiet den kaiserlichen, bayrischen und französischen Truppen wehrlos ausgeliefert.

1643: Dänemark tritt wieder in den Krieg ein.

1644 – 1648: Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück. Währenddessen geht der Krieg weiter.

1648: Der “Westfälische Friede” beendet einen dreißigjährigen Kriegsbrand.

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